RICHTLINIEN ZUR FORT- BZW. WEITERBILDUNG „SPEZIELLE SCHMERZPSYCHOTHERAPIE“
§ 1 Präambel
1)
Schmerz, ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, kann mit tatsächlicher oder möglicher Gewebsschädigung verknüpft sein oder wird mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben (Merskey et al. 1994). Auch die Wahrnehmung von nachweislich auf Gewebeschädigung basierenden akuten und chronischen Schmerzen unterliegt psychischen Faktoren, die wesentlichen Einfluss auf die schmerzbedingte Lebensgestaltung haben. Viele chronische Schmerzzustände basieren auf sog. neuroplastischen Lernprozessen; Gewebsschädigungen gelten dabei nicht als eigentliche Ursache der Schmerzempfindung oder sind nicht (mehr) vorhanden. Die psychologisch begründete Schmerztherapie umfasst daher Konzepte und Verfahren zur Reduktion der psychischen Ursachen und Auswirkungen von Schmerzempfindungen sowie weitere speziell auf Schmerz ausgerichtete psychotherapeutische Methoden, die neuroplastisch begründbaren Chronifizierungsprozessen entgegenwirken. Psychotherapeutische Verfahren beinhalten einen Kanon von Störungstheorien, Diagnoseund Behandlungsverfahren, der auch bei Schmerzpatient*innen anwendbar ist, soweit bei ihnen nach internationalen Klassifikationskriterien psychische Störungen bedeutsam sind. Intensive akute wie auch chronische Schmerzen führen jedoch häufig zu neuronalen und psychischen Veränderungen, die das Schmerzempfinden langfristig intensivieren und unerwünschte (dysfunktionale) psychosoziale Veränderungen nach sich ziehen. Um auch bei Patient*innen mit vorwiegend körperlichen Beschwerden die intrapsychischen und interaktionellen Aspekte ihrer Erkrankung schmerztherapeutisch zu berücksichtigen, sind im Rahmen der Schmerzpsychotherapie spezielle, interdisziplinär ausgerichtete Methoden der Schmerzdiagnostik und Schmerztherapie entwickelt worden. Sie haben sich in zahlreichen wissenschaftlich kontrollierten Studien als effektiv erwiesen und ihren festen Platz in der Versorgung von Patient*innen mit ausreichend körperlich und vermutlich neuroplastisch, behavioral oder psychodynamisch begründbaren Schmerzen gefunden. Der Beitrag psychologischer Erkenntnisse zur speziellen Schmerzpsychotherapie soll zur psychotherapeutischen Arbeit mit dieser Klientel zusätzlich qualifizieren und die fachlichen Grundlagen für wissenschaftlich anerkannte Methoden vertiefen, die zur Verhinderung von Chronifizierungsprozessen geeignet sind. Die spezielle Schmerzpsychotherapie beinhaltet die Diagnostik psychischer Merkmale, Ursachen und Auswirkungen von Schmerzempfindungen sowie die speziell auf Schmerz und seine neuroplastisch begründbaren Chronifizierungsprozesse ausgerichteten psychotherapeutischen Interventionen.
Zur Verbesserung der Versorgung von Schmerzpatient*innen durch Psychotherapeut*innen haben die Deutsche Gesellschaft für Psychologische Schmerztherapie und -forschung e.V. (DGPSF), die Deutsche Schmerzgesellschaft e.V., die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. (DGS) und die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e.V. (DMKG) die nachfolgenden Richtlinien für die Fort-/Weiterbildung in Spezieller Schmerzpsychotherapie (SSPT) erarbeitet.
2)
Diagnostik und Therapie chronischer Schmerzzustände können ebenso wie präventive Maßnahmen nur interdisziplinär erfolgen. Aus diesem Grunde wird bereits in der Fort- /Weiterbildung eine enge Kooperation zwischen den an der Schmerzbehandlung beteiligten Berufsgruppen angestrebt.
3)
Die hier beschriebene Fort-/Weiterbildung setzt eine Approbation als Psychologische*r Psychotherapeut*in bzw. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*in nach dem PsychThG oder vergleichbare Facharztweiterbildungen (Fachärzt*in für Psychiatrie und Psychotherapie, Fachärzt*in für Psychotherapeutische Medizin und/oder Fachärzt*in für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie) voraus.