DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR PSYCHOLOGISCHE SCHMERZTHERAPIE UND -FORSCHUNG E.V.

WEITERBILDUNGSORDNUNG

§ 4 Fort-/Weiterbildungsinhalte und -methoden

1) An Inhalten sollen vermittelt werden:

Allgemeine Grundlagen (mindestens 48 Stunden)

Biopsychosoziales Konzept (mindestens 8 Stunden)
akute und chronische Schmerzen; psychologische Funktionen des Schmerzes, Einstellungen und Haltungen zum Schmerz; psychologische Risikofaktoren und Chronifizierungsmechanismen; Befund und Befinden; Epidemiologie von Schmerz; Wirksamkeit von Schmerzpsychotherapie

Medizinische Grundlagen (mindestens 8 Stunden)
einschließlich der funktionellen Anatomie von Schmerz und Schmerzverarbeitung; physiologische Chronifizierungsmechanismen; medizinische Diagnostik und medizinische Interven-tionsverfahren (invasive und nicht-invasive) von Schmerzerkrankungen; Pharmakotherapie des Schmerzes; spezielle Risiken medikamentöser Behandlung, v.a. der Opioide

Krankheitsbilder und psychotherapeutische Interventionen (mindestens 28 Stunden)

  • akuter und chronischer Rückenschmerz: Symptomatik der Krankheitsbilder; störungsspezifische Krankheitsmodelle; Edukation interdisziplinäre Therapie; Pacing, quotenorientierte Belastungssteigerung und Abbau von Angst-Vermeidungsverhalten
  • Kopfschmerzen: Symptomatik der Krankheitsbilder und deren Differentialdiagnostik; störungsspezifische Krankheitsmodelle; Edukation; interdisziplinäre Therapie; Triggermanagement; Biofeedback; Stressbewältigung; Rückfallprophylaxe bei Kopfschmerz bei Medikamentenübergebrauch
  • Neuropathischer Schmerz: Symptomatik der Krankheitsbilder; störungsspezifische Krankheitsmodelle; Edukation; interdisziplinäre Therapie; Stabilisierung und Aufbau von Akzeptanz; Bearbeitung des Körperbildes und Körperschemas; Abbau von Angst-Vermeidungs-verhalten; Aktivitätenaufbau; Spiegeltherapie; Resozialisierung
  • Rheuma und Fibromyalgiesyndrom: Symptomatik der Krankheitsbilder; störungsspezifische Krankheitsmodelle; Edukation; interdisziplinäre Therapie; Visualisierungen; Aufbau von Akzeptanz und Achtsamkeit
  • Tumorschmerz: Symptomatik der Krankheitsbilder; störungsspezifische Krankheitsmodelle; Edukation; interdisziplinäre Therapie; Krankheitsverarbeitung; Ressourcenaktivierung; Einbezug der Angehörigen; Trauerarbeit

Physiotherapeutische Methoden (4 Stunden)
Untersuchungsbefund; Edukation; Funktionsverbesserung über Ausdauertraining und Krafttraining; Mobilisationstechniken; Dehnung; physikalische Maßnahmen; unterschiedliche Techniken wie Brunkow, PNF, manuelle Therapie; Osteopathie

Fort-/Weiterbildungsinhalte spezifisch für den Altersbereich „Erwachsene“ (mindestens 32 Stunden)

Interdisziplinarität (mindestens 8 Stunden)
eteiligte Berufsgruppen und Besonderheiten; Ziele in unterschiedlichen Settings; Rolle der*s Schmerzpsychotherapeut*in  im interdisziplinären Kontext; Organisationsformen; iatrogene und patient*innenbezogene Risikofaktoren; Medikamentenabhängigkeit: Epidemiologie; stationärer und ambulanter Medikamentenentzug; Rückfallprophylaxe

Anamnese, Diagnostik und Therapieplanung (mindestens 8 Stunden)
Schmerzpsychologische Exploration; schmerzspezifische Fragebögen; MASK-P und schmerzrelevante ICD-10- und ICD-11-Diagnosen; ICF; Fallkonzeption; Einbezug von Angehörigen; Therapieplanung und -evaluation; Besonderheiten in der Schmerztherapie bei ko-morbiden psychischen und somatischen Störungen wie z. B. Depression und Angststörungen

Verfahrensspezifische Ansätze (mindestens 16 Stunden)
verhaltenstherapeutische Konzepte und Methoden: edukative, kognitive, verhaltensbezogene sowie emotionsbezogene Interventionen; Entspannung; Imagination; psychodynamische Konzepte chronischer Schmerzen und ihrer Behandlung

Fort-/Weiterbildungsinhalte spezifisch für den Altersbereich „Kinder und Jugendliche“ (mindestens 32 Stunden)

Definition, Ätiologie, Diagnostik und Klassifikation (mindestens 8 Stunden)
Psychosoziale auslösende und aufrechterhaltende Faktoren des chronischen Schmerzes, entwicklungsbezogene Aspekte im Verständnis von Schmerzen, u. a. zur Schmerzwahrnehmung und zu elterlichen Reaktionen; Kennenlernen und Anwenden altersgerechter multimodaler Messmethoden zur Erfassung des chronischen Schmerzes; altersgerechte Klassifikationsmöglichkeiten:

  • aktueller Kenntnisstand zur Schmerzwahrnehmung, -erfassung und elterlichen Reaktionen von der frühen Kindheit bis ins junge Erwachsenenalter; Ätiologie chronischer Schmerzen im Kindes- und Jugendalter und altersgerechte Psychoedukation
  • multimodale Diagnostik anhand von Interviews, Fragebögen (Kind, Eltern) und Spiel-/Verhaltensbeobachtungen
  • Diagnostik von komorbiden psychischen Erkrankungen
  • störungsspezifische Klassifikationssysteme
  • fallbasierte Anwendung des biopsychosozialen Modells, der diagnostischen Instrumente und der Klassifikation

Psychotherapeutische Interventionen (mindestens 24 Stunden)

  • psychotherapeutische Interventionen entwicklungsbezogen für folgende Bereiche:Modifikation: der Störungskonzepte (z. B. Psychoedukation), der Schmerzwahrnehmung (Schmerzablenkung, Imaginationen, Schmerzdistanzierung), dysfunktionaler Kognitionen (z. B. Methoden der kognitiven Umstrukturierung), dysfunktionaler emotionaler Reaktionen (z. B. expositionsbasierte Verfahren); schmerzbezogenen Verhaltens (z. B. Aktivierung); 
  • altersgerechte kognitive und schmerzakzeptanzbasierte Strategien; Besonderheiten der Anwendung von Entspannungstechniken; Besonderheiten in der Schmerztherapie bei komorbiden psychischen und somatischen Störungen, wie z. B. Depression und Angststörungen
  • psychodynamische Konzepte chronischer Schmerzen und ihrer Behandlung
  • Möglichkeiten der Kooperation und Delegation (Kinder- und Jugendpsychiatrie, Rehabilitation, Jugendamt)
  • psychotherapeutische Interventionen für die Bezugspersonen für folgende Bereiche: Besonderheiten der Eltern-Kind-Interaktion bei chronischen Schmerzen; Modifikation der elterlichen Störungskonzepte (z. B. Psychoedukation) und der dysfunktionalen elterlichen Reaktionen (z. B. spezifische Elterntrainings im Rahmen der kindlichen Therapie)
  • wissenschaftliche Evidenz der psychotherapeutischen Interventionen und deren Implementierung in den klinischen Alltag

2) Behandlungsgrundsätze

Geeignet für die Fort-/Weiterbildung sind wissenschaftlich anerkannte Verfahren, die unter anderem folgende Ziele verfolgen:
Sie sollen das Verständnis eines biopsychosozialen Krankheitsmodells fördern und den Patient*innen durch Edukation für eine Spezielle Schmerzpsychotherapie öffnen und motivieren. Sie sollen zu einer Dämpfung schmerzbedingter physiologischer Hyperaktivierung beitragen. Geeignet sind autosuggestive und heterosuggestive Verfahren sowie Kombinationen derselben auch unter Einsatz technischer Hilfsmittel.
Sie sollen die Aufmerksamkeitslenkung beeinflussen. Hierzu gehören z.B. Übungen zur Schmerzfokussierung und -defokussierung, imaginative und hypnotische Verfahren. Sie sollen zur Veränderung schmerz- und stressrelevanter Kognitions- und Verhaltensmuster führen. Hierzu gehören u.a. behaviorale Verfahren zur Schmerzimmunisierung und kognitiven Umstrukturierung, suggestive Verfahren, Verfahren zur Förderung von Kontrollüberzeugungen und positiven Kognitionen.
Sie sollen zur Förderung des emotionalen Wohlbefindens und der positiven Bewältigungsstrategien der Patient*innen beitragen. Hierzu gehören die emotionale Stützung bei chronischen Schmerzleiden, schmerzverstärkenden Komorbiditäten (z. B., Angst, Depression) und Kognitionen (z.B. Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit) sowie Hilfen bei der Bewältigung lebensbedrohender, von starken Schmerzen begleiteter Krankheiten.
Sie sollen der Lösung von schmerzrelevanten Problemen dienen, die sich durch äußere Bedingungen wie Partnerschaftskonflikte, Überlastung am Arbeitsplatz usw. ergeben. In diesem Zusammenhang sollen auch mögliche schmerzaufrechterhaltende Faktoren (i.S.v. Zielkonflikten) identifiziert und mit dem Patienten reflektiert werden.
Sie sollen Gesundheitsverhalten fördern, Aktivitäten aufbauen und ein ausgewogenes Verhältnis von Aktivität und Regeneration ermöglichen.
Sie sollen zur Verarbeitung intrapsychischer, auch unbewusster Konflikte und dadurch ausgelöster Ängste, Selbstsicherheits- und Selbstwertprobleme beitragen.

3) Behandlungsmethoden

Hierunter sind Ansätze zu fassen, die insbesondere

  • eine positive Veränderung des psychisch mitbedingten (durch psychologische Faktoren, wie z. B.: Lernmechanismen, kognitive Prozesse, Konflikt-produzierende Erfahrungen, Somatisierung), entstandenen oder aufrechterhaltenen Schmerzerlebens und -verhaltens bewirken können
  • Aktivitäten fördern und den Patient*innen bei einem trotz der Behinderung ausgefüllten und aktiven Leben unterstützen
  • zur Rehabilitation motivieren und der Integration eines veränderten Körperbildes in das Selbstkonzept des Patient*innen dienen
  • Kompetenzen vermitteln und Schmerz verstärkende Handlungen in der sozialen Umwelt beeinflussen
  • unter Berücksichtigung der Risikofaktoren für eine Suchterkrankung Hilfen bei der Schmerzmittelreduktion (einschließlich Entzugsbehandlung) vermitteln
  • Fähigkeiten der Patient*innen zur Selbsthilfe und Kommunikation fördern
  • zusammenfassend geeignet sind, im Rahmen eines multimodal ausgerichteten Behandlungskonzepts unter Einschluss medizinischer, physiotherapeutischer und anderer körperorientierter wie krankenpflegerischer Verfahren wesentlich zur Schmerzreduktion beizutragen